Landtagswahlen 2011 in Bremen

Informiert Sie über die Programme und Aktivitäten der Parteien zur Landtagswahl Bremen am 22.05.2011 und gibt eine Wahlempfehlung. Schwerpunkt der Betrachtungen ist die bisherige und zu erwartende Drogenpolitik, insbesondere bezüglich Cannabis.

Gliederung

Vorbemerkung

Ebenso wie Drogen nicht alles im Leben sein sollten, ist natürlich auch Drogenpolitik nicht der einzige ausschlaggebende Punkt bei einer Wahlentscheidung. Dennoch sagt Drogenpolitik mehr über die Gesinnung einer Partei aus, als nur die Frage, ob sie Cannabis legalisieren will oder nicht.
Die Drogenpolitik verrät vielmehr Grundsätzliches darüber, ob eine Partei den Bürger eher als selbstbestimmtes Individuum sieht oder als lenkbares Schaf, das von der Obrigkeit vor bösen Einflüssen beschützt werden muss (und kann!)”.


Ausgangslage

Drogenpolitik ist in Bremen für viele kein wahlentscheidendes Kriterium, davon scheinen jedenfalls die Politiker im Wahlkampf auszugehen. Im Vordergrund steht die Rekordverschuldung des Landes, welche die Politik praktisch handlungsunfähig macht, und die üblichen Landesthemen wie die Bildungsreform. Dazu kommt die haushohe Mehrheit der rot-grünen Regierung und die Unfähigkeit der bürgerlichen Opposition und der LINKEN, sich effektiv zu profilieren. Die SPD stellt hier seit Bestehen des Bundeslandes die Regierung, die Wahl wird vermutlich nur eine Stärkung der Grünen innerhalb der Regierung mit sich bringen.

Bremen war Anfang der 90er Jahre bundesweit ein Vorreiter im Bereich akzeptierender Drogenhilfe – Spritzenautomaten und die Substitutionsbehandlung gehören hier schon seit langem zur Normalität. Auch im Bereich Cannabis wird eine relativ softe Linie gefahren. Für Aufsehen sorgte der Fund von Drogenspuren in den Haaren von Kindern, deren Eltern in einer Substitutionsbehandlung sind. Der Versuch der CDU, diese Ereignisse zu instrumentalisieren und die gesamte rot-grüne Drogenpolitik für gescheitert zu erklären, war nicht erfolgreich. Die Regierungskoalition selbst griff die Bedenken in einem Antrag auf und ging nicht weiter auf die Provokation der CDU ein. Der Wahl-o-Mat für Bremen enthält auch keine drogenpolitischen Fragen.

Auch wenn in Bremen keine Verordnung zur Anwendung des §31a BtMG (“Geringe-Menge-Verordnung”) existiert, hat sich eine gewisse Einstellungspraxis eingebürgert, die im Bundesvergleich zu einer der liberalsten gehört: “Die Staatsanwaltschaft Bremen stellt bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 31 a BtMG Konsumentenverfahren ein, wenn sich die Tat auf nicht mehr als etwa 6 bis 8 Gramm (im Einzelfall bis zu 10 Gramm) Cannabis bzw. auf nicht mehr als 1 Gramm Heroin oder 2 Gramm Kokain oder auf nicht mehr als 3 Tabletten Ecstasy oder ähnliche in Tablettenform gehandelte Stoffe bezieht” – Quelle

Ergebnis der Bürgerschaftswahl
vom 13. Mai 2007
Partei Stimmen
in Prozent
CDU 25,6 %
SPD 36,7 %
Grüne 16,5 %
FDP 6,0 %
LINKE 8,4 %

Laut aktuellen Umfragen wird die CDU weiter verlieren und bei nur noch 20% landen, die FDP liegt in den Umfragen bei 3-4% und wird in der Bürgerschaft vermutlich nicht mehr vertreten sein. Die SPD kann ihr Ergebnis wohl halten und kann in Zukunft mit einer deutlich gestärkten Grünen Partei mit um die 24% weiterregieren. Die LINKE wird mit 6-7% schwächer, wird aber wohl weiterhin im Landtag vertreten sein. Zu den Piraten gibt es keine aktuellen Umfragen, im Februar kamen sie auf 2%. Es treten zudem einige rechts-konservative und rechtsextreme Parteien wie die “Bürger in Wut” und die DVU an, die aufgrund der Schwäche von CDU und FDP durchaus relativ hohe Ergebnisse und aufgrund der zwischen Bremen und Bremerhaven getrennt ermittelten 5% Hürde eventuell sogar einzelne Plätze in der Bürgerschaft erzielen könnten. Bei einer vermutlich geringen Wahlbeteiligung um die 50% herum sind alle Umfragewerte natürlich recht ungenau.

Parteien und ihre Standpunkte

CDU

Die CDU hat sich mit ihrem Versuch, Wahlkampf auf dem Rücken von drogenabhängigen Eltern zu machen, selbst für ihre Verhältnisse massiv disqualifiziert. Sie erkennt zwar an, dass Drogenabhängige krank sind und Hilfe bekommen sollten, allerdings will sie auch hier noch mehr Kontrolle als die eh schon massiven Reglementierungen es vorsehen – Drogenkonsumräume und die Heroinabgabe werden abgelehnt, Positionen die man sonst nur aus Bayern noch kennt… Auf Cannabis im Speziellen geht die CDU in ihrem Wahlprogramm nicht ein, dort ist pauschal zu lesen:

Die CDU Bremen lehnt die Legalisierung von illegalen Rauschmitteln ab.

  • Zum Wahlprogramm der CDU

SPD

Die SPD hat in der Vergangenheit die progressive Drogenpolitik in Bremen als Regierungspartei etabliert und steht weiterhin dazu, im Landtagswahlprogramm findet man bis auf ein Bekenntnis zum Glücksspielmonopol keine drogenpolitischen Aussagen. Wer SPD wählt, wählt den Status Quo – der ist in Bremen nicht der Schlechteste, aber zum Besseren ändern wird sich mit ihr auch nichts.

  • Zum Wahlprogramm der SPD

FDP

Die FDP in Bremen ist drogenpolitisch relativ progressiv, ohne die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten grundsätzlich in Frage zu stellen.

Eine konsequente Bekämpfung des Drogenhandels insbesondere im Viertel. […] Die FDP setzt sich für eine liberale Sucht- und Drogenpolitik in Bremen ein. […] Wir wollen das in anderen Städten erfolgreich eingeführte Modellprojekt der kontrollierten Heroinabgabe in Bremen einführen.

Aussagen zum Thema Cannabis sind nicht zu finden.

  • Zum Wahlprogramm der FDP

Piratenpartei

Die Piratenpartei in Bremen lässt in ihrem Wahlprogramm jede Aussage zum Thema Drogenpolitik oder Cannabis vermissen, auch zur aktuellen Methadondebatte hat sich der Landesverband nicht geäußert. In Aussagen wie “Die Sicherung des öffentlichen Raumes kann nur durch bessere personelle und technische Ausstattung der Polizei sicher gestellt werden” oder “Schulen müssen intensiver von Kinder- und Jugendpsychologen / Sozialpädago­gen unterstützt werden bzw. diese sollten in den Schulen angestellt werden, für die Betreuung von jugendlichen Gewalttätern, verhaltensauffälligen Kindern, und als kompetente Ansprechpartner für Schüler sowie als Entlastung der Lehrkräfte.” findet nur ein Spökenkieker eine drogenpolitische Tendenz..

GRÜNE

Die GRÜNEN lehnen die Kriminalisierung von Drogenabhängigen ab, ohne explizit eine Legalisierung zu fordern. Immerhin ist die Forderung nach Drug-Checking in ihrem Programm angekommen:

Drogenabhängigkeit kann mit polizeilichen und strafrechtlichen Mitteln nicht bekämpft werden. Ein wirksames Drogenhilfesystem spielt bei der Bekämpfung von Drogenabhängigkeit und -kriminalität eine wichtige Rolle. Wichtig sind eine sinnvolle Vernetzung der Angebote zur Beratung, Behandlung und Unterstützung von Betroffenen sowie die Entwicklung von Qualitätskriterien. Wir unterstützen die Hilfeeinrichtungen bei ihrem Wunsch, DrogenkonsumentInnen besser zu schützen, indem bei in Bremen beschlagnahmten Drogen die Messergebnisse über Reinheitsgrad und festgestellte Beimengungen anonymisiert und zeitnah veröffentlicht werden.

Aussagen zum Thema Cannabis sind nicht zu finden. Für Grüne Verhältnisse ein bescheidenes Programm, das nicht gerade auf ein besonderes Engagement bei diesem Thema hindeutet.

  • Zum Wahlprogramm der GRÜNEN

LINKE

Die LINKE sieht das Thema Cannabis als Jugendthema und fordert im Kapitel “Jugend braucht Mitbestimmung, Förderung, Freiräume und Kultur”:

DIE LINKE fordert die staatlich kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten, unter anderem durch Pilotprojekte. Legalize it! Jugendliche, die Cannabisprodukte konsumieren, werden mit strafrechtlichen Verfahren kriminalisiert, obwohl Cannabis kein größeres Suchtpotential, keine höhere Gesundheitsschädlichkeit und keine so enthemmten und häufig genug aggressiven Rauschzustände mit sich bringt wie die in der deutschen Gesellschaft akzeptierte Rauschdroge Alkohol. Das gesundheitliche Risiko, verunreinigte Cannabisprodukte einzunehmen, sowie die Kriminalisierung der Nutzerinnen und Nutzer, muss durch eine staatlich kontrollierte Abgabestelle verhindert werden. Die Eigenbedarfsgrenze muss höher gesteckt werden. Hierzu sind entsprechende Initiativen auf Bundesebene und Pilotprojekte im Rahmen der Gestaltungsfreiheit Bremens als Bundesland notwendig.

Zudem fordern die LINKE die für Bremen längst überfälligen Drogenkonsumräume, Heroinvergabeprojekte sowie “die Veröffentlichung der Testergebnisse der von der Polizei beschlagnahmten Drogen, um die Konsumrisiken zu minimieren”. Leider gab es von seinen der LINKEN Fraktion in der Bremer Bürgerschaft keinerlei Aktivitäten im Parlament zu diesem Thema.

  • Zum Wahlprogramm der LINKEN

Zusammenfassung und Wahlempfehlung

Die Wahlempfehlung für Bremen fällt relativ klar aus. Die LINKE ist die einzige Partei, die sich klar dazu äußert, in der Drogenpolitik neue Wege gehen zu wollen. Leider hat sie keine Chance auf eine Regierungsbeteiligung, die Möglichkeiten, die sie als Oppositionspartei besitzt, hat sie in der Vergangenheit nicht genutzt.

Die Grünen und die FDP liegen gleichauf, sie würden den Bereich der Drogenhilfe vorsichtig weiterentwickeln, bei der Kriminalisierung von Cannabiskonsumenten ist keine Veränderung zu erwarten. Die SPD in Bremen steht ebenfalls für eine gemäßigte Drogenpolitik, immerhin liegt die “geringe Menge” in Bremen auch weiterhin über dem Bundesdurchschnitt, Modellversuche zum Thema Drugchecking oder Cannabisabgabe sind von ihr nicht zu erwarten.

Die CDU ist für Hanffreunde wie so häufig absolut unwählbar, für einen CDU-Landesverband in Norddeutschland ist die CDU in Bremen erschreckend rückständig.

Die Wahlanalyse aus dem Jahr 2007 gibt es hier.

Schlussbemerkung

Und nun der vielleicht wichtigste Hinweis zum Schluss. Jeder, dem Cannabispolitik am Herzen liegt, sollte den Parteien mitteilen, warum er sie gewählt oder nicht gewählt hat! Das erhöht das Gewicht einer einzelnen Stimme enorm! Gerade in Bezug auf LINKE ist das wichtig, da sie gute Ansätze zeigen, aber scheinbar noch nicht ganz begriffen haben, wie gut sie mit diesem Thema punkten können. Es reicht ein Dreizeiler wie:

“Ich habe Ihnen diesmal meine Stimme gegeben, weil Sie sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzen und erwarte von Ihnen, dass Sie das Thema die nächsten vier Jahre auch voranbringen!”

Die Email-Adresse der LINKEN lautet Die SPD, FDP und Grünen könnten folgende Zeilen erhalten:

“Ich hätte mir vorstellen können, sie dieses Jahr bei der Landtagswahl 2011 zu wählen, habe aber wegen ihrer unklarer Haltung in der Drogenpolitik davon Abstand genommen. Es würde mich freuen wenn sie sich beim nächsten Mal klar zur Frage der Verfolgung von Cannabiskonsumenten äußern würden.”

Die SPD, FDP und Grünen sind unter und zu erreichen.