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Expertenberatung in der Drogenpolitik? Bundesregierung verweist auf Hanfverband

Eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag fasst die Debatte um unabhängige Experten zusammen, die die Bundesregierung in Sachen Drogenpolitik beraten sollen. Ein solches Gremium wurde in den letzten Jahren vielfach gefordert. Früher gab es so etwas schon mal. Die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig verzichtet auf ein solches Gremium “zugunsten eines flexibleren und anlassbezogenen Dialogs” und verweist unter anderem auf ein Gespräch mit dem Deutschen Hanfverband.

Die Linken verweisen in ihrer Anfrage auf die “Drogen- und Suchtkommission”, die unter der grünen Drogenbeauftragten Christa Nickels mit externen Fachleuten besetzt war und Reformen in der Drogenpolitik für notwendig hielt. Der Nachfolger “Drogen- und Suchtrat” war dagegen ein zahnloser Tiger, besetzt mit Vertretern aus Behörden und Krankenkassen. Zuletzt gab es gar kein solches Gremium zur Politikberatung mehr. Wozu sollte die Regierung auch eine unabhängige Expertenkommission einrichten, wenn klar ist, dass Fachleute die Drogenpolitik der Regierung mehrheitlich für falsch halten? Eine faktenbasierte Drogenpolitik ist offensichtlich seitens der Regierung nicht erwünscht. Das zeigt sich auch in der Tatsache, dass seit einigen Jahren der “Alternative Drogen- und Suchtbericht” erscheint. Darin veröffentlichen diverse Fachleute ihre Beiträge zu verschiedenen drogenpolitischen Fragen, weil sie den offiziellen Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung für zu einseitig halten.

Jüngst wurde eine Expertenkommission noch einmal von der Initiative #mybrainmychoice mit einer Petition gefordert, die wohl auch der Anlass für die Anfrage der Linken und einen entsprechenden Antrag war. Allerdings ist die Forderung schon wesentlich länger auf dem Tisch. Schon 2013 hatten 123 Strafrechtsprofessoren eine Resolution an den Bundestag unterschrieben und damit eine Enquête-Kommission gefordert, um “die Geeignetheit, Erforderlichkeit und normative Angemessenheit des Betäubungsmittelstrafrechts zu überprüfen und gegebenenfalls Vorschläge zu Gesetzesänderungen aus solcher Evaluation abzuleiten.” Trotz Unterstützung durch Grüne und Linke wurde auch dieser Vorstoß von der Bundesregierung abgeblockt.

Nun hat die Bundesregierung also auch unter Daniela Ludwig einen weiteren Erklärungsversuch gewagt, warum sie es nicht für nötig hält, die deutsche Drogenpolitik grundsätzlich und systematisch von Experten begutachten zu lassen. Die Antworten auf die Kleine Anfrage der Linken liegen uns vor:

Zu Beginn der 19. Legislaturperiode wurde durch die damalige Drogenbeauftragte zugunsten eines flexibleren und anlassbezogenen Dialogs auf eine erneute Berufung des Drogen- und Suchtrates verzichtet.

Die grundsätzliche Entscheidung, in der aktuellen Legislaturperiode kein drogenpolitisches Expertengremium einzuberufen, kam also nicht von Daniela Ludwig, sondern von ihrer Vorgängerin Marlene Mortler (beide CSU). Doch auch Ludwig argumentiert nicht etwa formal, dass zum Beispiel seit ihrer Amtseinführung nicht mehr genug Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl blieb, sondern schließt sich Mortlers Meinung an:

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung lässt sich jedoch zu allen für ihre Arbeit relevanten Fragen umfassend und regelmäßig durch Verbände, Fachorganisationen sowie Vertreterinnen und Vertreter von Wissenschaft und Praxis beraten. Hierzu führen sie und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Vielzahl von themenbezogenen Gesprächen.

In der aktuellen Legislaturperiode wurde ein flexibler, anlassbezogener und themenbezogener Austausch für erforderlich und für zielführender gehalten.

Und dann kommt, was viele DHV-Fans befürchtet hatten. Der Termin von Frau Ludwig mit dem DHV wird als Feigenblatt benutzt, um damit einen ausreichenden Austausch mit Fachleuten und der Zivilgesellschaft in ihrer ganzen Bandbreite vorzugaukeln:

Die Drogenbeauftragten der Bundesregierung Marlene Mortler, MdB, und Daniela Ludwig, MdB, haben in dieser Legislaturperiode eine Vielzahl von Gesprächen mit Verbänden, Fachorganisationen, Einrichtungen der Suchthilfe, aber auch einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geführt, in denen Grundsatzfragen der Drogenpolitik adressiert worden sind. Eine Aufzählung aller einzelnen Termine und eine Zuordnung der Gesprächspositionen ist aus quantitativen Gründen und, um der gebotenen Vertraulichkeit Rechnung zu tragen, nicht möglich. Beispielhaft können Gespräche mit dem Deutschen Hanfverband e.V. am 28. November 2019, LEAP Deutschland e. V. am 29. September 2020 und dem Bund Deutscher Kriminalbeamter e. V. am selben Tag genannt werden. Die Positionen dieser Verbände sind bekannt.

Dass Daniela Ludwig tatsächlich einen offeneren Austausch pflegt als ihre Vorgängerinnen, können wir bestätigen und wissen wir zu schätzen. Allerdings war das auch nicht schwer zu toppen. Einzelne Termine, bei denen Fachleute einmal angehört werden, sind aber nicht vergleichbar mit einem regelmäßigen institutionellen und transparenten Austausch. Einen zweiten Termin von Frau Ludwig mit dem DHV hat es seit November 2019 nicht gegeben. Das würden wir ebenso begrüßen wie die Einrichtung einer unabhängigen Expertenkommission.

Es ist schon ein merkwürdigen Missverhältnis, wenn einerseits fast die Hälfte aller deutschen Strafrechtsprofessoren in einem eindringlichen Appell eine umfassende Überprüfung der Drogenpolitik anmahnen und andererseits neu aufgestellte Drogenbeauftragte aus den Bereichen Landwirtschaft (Mortler) oder Verkehr (Ludwig) ohne besonderes drogenpolitisches Vorwissen das nicht für nötig halten. Es ist Zeit für einen politischen Wechsel in Deutschland.


Kommentare

10 Antworten zu „Expertenberatung in der Drogenpolitik? Bundesregierung verweist auf Hanfverband“

  1. eNorm

    Wahlthema
    Ich hoffe die nächste Wahl wird Zeichen setzen. Weiterhin hoffe ich, dass es mal eine Partei weiter schafft als bis zu reinen Versprechen vor der Wahl.

  2. M. A. Haschberg

    Drogenpolitik ist einzig und allein Sache von Suchtexperten.
    Unsere sogenannte “Drogenbeauftragte” ist hoffentlich nicht so naiv zu glauben, dass eine so unzureichende, unverhältnismäßige und von der Logik her ins grasse Gegenteil verkehrte Drogenpolitik, wie wir sie leider schon seit Jahrzehnten haben, in unserer zunehmend aufgeklärten Gesellschaft weiterhin Bestand haben wird.
    Ausgerechnet der Genuss der schlimmsten Todesdrogen Alkohol und Tabak ist legal und ausgerechnet der Gebrauch der einzigartigen Heilpflanze Cannabis mit hohem medizinischen Nutzen, die gar keine Todesfälle verursacht, wird strafrechtlich verfolgt.
    Einen solch realitätsfernen Schwachsinn werden sich die 5 Millionen Hanfliebhaber in Deutschland wohl nicht mehr lange gefallen lassen, zumal er auch noch von einer durch und durch korrupten Partei (siehe Maskenaffäre, Mautdebakel etc) auf Teufel komm raus am Leben erhalten wird.

  3. Cannabis Coach Europe

    Samthandschuhe?
    Rein vom politischen Schlagabtausch und den Raffinessen entsprechender Berichterstattung aus dem Büro von Frau Ludwig abgesehen, fehlt mir immer noch ein gewisser Tiefgang in der Materie. Oder glaubt wirklich jemand, dass es mit dem Schmusekurs so weitergehen kann?

    1. Buri_see_käo

      aber es bringt doch was… wer’s glaubt
      Der Schmusekurs, die Nutzung der politischen Möglichkeiten?
      Beeindruckend, die Papierberge zu Anhörungen, lächerlich, die so vorgetäuschte Authentizität. Und der Verfolgungsdruck steigt ständig, quantitativ laut PKS. Mit jeder Gelegenheit, die den Prohibitionisten eingeräumt wird, ihre Lügen zum x-ten mal öffentlich runterzuleiern, leiten die die Legitimation ab, den Verfolgungsdruck weiter zu erhöhen. Noch besteht eine gewisse statistische Unschärfe, aber auf kürzere Intervalle getöteter Cannbiseure wird man nicht lange warten müssen, ‘nennt sich wohl quallitativ gesteigerter Verfolguingsdruck. Nun, nach dem Ende des Weges, ist mindestens ein angemessenes Vokabular angebracht.
      mfG  fE

    2. Manie

      Klar: unsere Emotionen sind
      Klar: unsere Emotionen sind ihr zuviel und sollen verschwinden! Argumentieren will dieses Pinguin-Rudel wohl nicht mehr. Kommunikation verhindern bringt ihr mehr!

  4. Ritchie

    Aktuelle Bundesregierung
    Empathie, Perspektivwechsel und Wertschätzung ist leider nur spanisch für viele konservative.
    Technokraten und ihre Anhänger möchten das Zepter natürlich weiter in eiserner Hand behalten.
    Über den Tellerrand schauen oder mal eine andere Zeitung lesen?
    Breitgefächerte Bildung oder mal wo anders Urlaub machen?
    Unmöglich im Hamsterrad der Politik?

    Alles richtig geschrieben Otto?

  5. Peter Nudintg

    Drogen- und SUchtrat
    Am besten finde ich ja, dass der ja irgendwie geheim war? Mein Text wenn mir jemand sagt das Daniela Ludwig ja “nur Sprachrohr” ist. Ja. Ist Sie. Aber das ist keine Einbahnstraße!

    Job der/des Bundesdrogenbeauftragten: Die Bundesdrogenbeauftragte ernennt und leitet den Drogen- und Suchtrat welcher eben doch Einfluss auf die Drogenpolitik der Bundesregierung hat.

    Interessanter Punkt ist folgender:

    “Die personelle Zusammensetzung des Drogen- und Suchtrates ist zuerst nicht veröffentlicht worden. Es wurde auf eine Anfrage auf dem Portal Abgeordnetenwatch am 17. Januar 2011 mit einer Liste von beteiligten Organisationen geantwortet, allerdings ohne namentliche Nennung, mit der am 28. Januar 2011 folgenden Begründung, dass die Sitzungen „nach der Geschäftsordnung des Drogen- und Suchtrats nicht öffentlich [seien], daher werden auch die Sitzungsprotokolle nicht veröffentlicht.“

    Daraufhin wurde am 28. Januar 2011 eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz gesendet, welche das Büro der Drogenbeauftragten am 2. Februar 2011 bestätigte. Im Folgenden veröffentlichten diverse Medien zu diesem Thema und es wurde am 7. April 2011 eine Petition im Deutschen Bundestag angenommen, die Transparenz in den Gremien zur Drogenpolitik fordert.

    Dem Antrag nach dem IFG wurde am 25. März 2011 mit einer Akteneinsicht genüge getan. Am 2. Mai 2011 wurde die Geschäftsordnung des Drogen- und Suchtrates, am 31. Mai die namentlich geführte Mitgliederliste von der Drogenbeauftragten veröffentlicht. In Folge steht der Drogen- und Suchtrat in der Kritik, das international anerkannte GIPA-Prinzip, also die Beteiligung von Menschen mit HIV/AIDS auf allen Ebenen sie betreffender Entscheidungen, missachtet wird und keinerlei Selbsthilfeorganisationen aus dem illegalen Drogenbereich vertreten sind. Auch anerkannte Organisationen wie die Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) als Interessenvertretung und Fachgesellschaft vieler hundert Suchtmediziner sind nicht beteiligt, ebenso wenig wie Akzept e.V. Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik.”

    Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Drogen-_und_Suchtrat (Stand: 29.01.2020)

    Sie schreibt ja auch selber:

    “Das Themenspektrum der Drogenbeauftragten der Bundesregierung ist sehr breit gefächert. Es reicht von den legalen Drogen Alkohol und Tabak bis zu den illegalen Drogen. Darüber hinaus gehören auch die Themen Kinder aus suchtbelasteten Familien, Glücksspiel, Onlinesucht u.v.m. zu meinen Aufgaben. Ein großes Interesse hierfür mitzubringen ist eine von vielen Voraussetzungen für dieses Amt.”

    Quelle: https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/daniela-ludwig/fragen-antworten/551651

    Erstmeldung von Freitag, 10.07.2020, 15:01 Uhr: Berlin – Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), hat die Aufgabe, die Drogenpolitik der Bundesregierung zu koordinieren und sie gegenüber Politik, Presse und Öffentlichkeit zu vertreten. Dabei ist es auch ihre Aufgabe, Empfehlungen der Fachwelt aufzunehmen. So steht es auf ihrer offiziellen Website.

    https://www.fr.de/panorama/daniela-ludwig-drogenbeauftragte-bundesregierung-alkohol-irritiert-zweifach-mit-aussagen-zr-90008574.html

    https://www.drogenbeauftragte.de/beauftragte/aufgaben-der-drogenbeauftragten.html

    1. W. Schmidt

      Schizophren dir Regierung
      Ein guter Beitrag!
      Hinzu kommt dann auch noch dass jetzt online Glücksspiel legal wird. Eine nicht kontrolierbare Onlineplattform, wo Spielsüchtige bequem vom Sofa aus die Existenz Ihrer Familien verzocken können ist in Zeiten von Corona ja unerlässlich, wass würden die ganzen Spielbanken sonst machen.
      Aber da das Wochl der Bürger soooo wichtig ist, kann man ja nicht zulassen, das medizinisch verordnetes Canabis auch tatsächlich zu bekommen ist.

  6. Sandy

    Landwirtschaft und Verkehr…
    Kurz vorweg, ich hoffe, dass die CDU-Herrschaft endlich enden wird, damit eine vertrauenswürdigere Partei das Zepter in Händen hält…

    Landwirtschaft und Verkehr passen beide zumindest auf pflanzliche Drogen, wie Cannabis, bezogen, halbwegs ins Schema, Anpflanzen und Transportieren, aber das war es auch schon. Wenigstens etwas Kompetenz wäre wünschenswert gewesen, statt einfach nur die zerstörerische Ideologie “Nur Alkohol” durchsetzen zu wollen.

    Hoffentlich kann in der kommenden Legislaturperiode, unter einer anderen Partei (vermutlich die Grünen), Deutschland wieder auferstehen. Das lang gezogene Begräbnis in Sachen Digitalisierung und Fortschritt, durch die nichtsverändernde CDU/CSU, muss ein Ende haben!

  7. Eumel

    Wenn jetzt jeder dieser
    Wenn jetzt jeder dieser Verbände eine Pressemitteilung herausgibt, dass Frau Ludwig sich zwar zum Dialog getroffen hat, aber jegliche sachlichen Argumente ignoriert hat, wäre das evtl. eine gute Vorlage für eine kommende Bundespressekonferenz.

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